Musst Du noch oder darfst Du schon?

Aug 20, 2024

Es ist wieder einmal soweit ….

Die Diskussion um das Wort „müssen“ ist in vollem Gange.

Dass manche Menschen das Wort „müssen“  in ihrem Sprachgebrauch häufig verwenden, dazu stehen sie.

Auch darüber, dass das Wort Druck macht, sich wenig förderlich auf die Motivation auswirkt und teilweise unangenehme Gefühle auslöst, sind sich die meisten einig.

So weit, so gut.

Danach gibt es oft 2 unterschiedliche Lösungsansätze:

Die eine Gruppe regt an, das Wort „müssen“ durch ein anderes Wort zu ersetzen.

Statt „ich muss“, heißt es dann

  • „Ich möchte“
  • „Ich kann“
  • „Ich darf“ oder
  • „Ich will“

Mit diesen Alternativen soll eine schrittweise Umgewöhnung oder Annäherung stattfinden.

Ich gehöre einer anderen Gruppe an.

Wenn ich schon dabei bin, bewusst auf meine Sprache zu achten und mir einen anderen Umgang mit meiner Sprache anzugewöhnen, dann sollte die neue Formulierung für mich stimmig sein.

Ersetze ich ein „müssen“, das ich mir angewöhnt habe und inflationär gebrauche, durch ein anderes Wort, das ich mir dadurch angewöhne und inflationär gebrauche, dann erreiche ich zwar, dass das Wort „müssen“ weniger in meiner Sprache vorkommt.

Wenn allerdings aus einem „ich muss morgens um 6 Uhr aufstehen“

(für mich als jemand, der gerne länger schläft, war das einer meiner vielen Sätze mit „ich muss“)

ein „ich möchte morgens um 6 Uhr aufstehen“ (nein, das MÖCHTE ich NICHT!),

oder ein „ich darf morgens um 6 Uhr aufstehen“ (wow, das ist ja mega, dass ich das darf! – Sarkasmus wieder aus…)

dann – bitte entschuldigt den Ausdruck – verarsche ich mich damit doch selbst.

Für mich ist die Lösung, die den Sachverhalt auf den Punkt bringt: „Ich stehe morgens um 6 Uhr auf.“

Ich habe gute Gründe, die dafür sprechen, es zu tun.

Auch wenn es mir nicht gefällt und es mir lieber wäre, länger liegen zu bleiben.

Ich tue es, weil ich es so entschieden habe.

Ganz egal, ob ich es muss, möchte, darf, kann oder will.

Wie siehst Du das?

Zu welcher Gruppe gehörst Du?

ENDE

Und wieder kommt der Text mit dem Subtext – aus welchem Grund auch immer…?! 😉

Am April war ich als Teilnehmerin bei den Erlebnistagen der Traumfabrik Regensburg. Ich nahm am Workshop „Lebendiges Sprechen für Alltag und Beruf“ teil. Für eine anstehende Lesung aus meinem Buch „Ich muss dir was sagen“ wollte ich mir dort ein paar Impulse mitnehmen, wie ich die Lesung für die Zuhörer lebendiger gestalten konnte.

Nach einem ersten Durchgang fragte mich der Dozent: „Was willst Du erreichen?“ „Ich will die Leute NEUGIERIG machen“, sagte ich. „Ok, dann geh bitte in genau diese Haltung: Du willst die Leute NEUGIERIG machen. Verinnerliche Dir das. Und dann lies den Text noch einmal.“

Vielleicht hast Du auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass es Dir in einer Situation ganz leicht gelingt, einem anderen Menschen zum Beispiel etwas lebhaft zu erzählen. Trotzdem gibt es Situationen, in denen gelingt Dir das überhaupt nicht. Oft hat das etwas mit dem Subtext zu tun.

Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache stellt zum Begriff Subtext zwei Definitionen bereit:

  1. „einem Kunstwerk, besonders einer erzählenden Dichtung zugrundeliegender Text, Texthintergrund“
  2. „unterschwellig mitgeteilte Meinung, verborgene Botschaft; Nebenbedeutung, Unterton

Genau die zweite Bedeutung – die unterschwellig mitgeteilte Meinung, der Unterton sind es, die sich auf die Sprache (und vieles mehr) auswirken.

Ich habe das Wort Subtext zum ersten Mal in meiner Musicalgruppe kennengelernt. Meiner Regisseurin dort war es wichtig, uns möglichst viele Informationen zu unseren Rollen zu geben. Auch solche, die aus dem Text selbst nicht hervorgehen. In den Proben fragte sie dann immer wieder beispielsweise: „Wie stehst Du in Deiner Rolle zu dem, was gerade passiert? Wie findest Du das?“ oder auch „Wie stehst Du zu der Person, mit der Du gerade interagierst?“

Der Subtext ändert etwas daran, wie ich mich verhalte, wie ich mich bewege und auch an der Art, wie ich spreche – je nachdem, mit welchem Subtext ich in der Situation bin.

Falls Du die Wirkung eines Subtextes selbst ausprobieren willst:

  • Lies jemandem einen Text vor und denke dabei: „Das interessiert den sowieso nicht.“

Und dann nimm denselben Text, lies ihn noch einmal vor und denke Dir dabei:

„Das ist eine großartige neue Information für meinen Zuhörer, die ich hier teile.“

Ich bin mir sicher, Du wirst einen Unterschied merken.

Der Text, den ich aus meinem Buch vorgelesen habe, kam bei den Zuhörern mit dem Subtext „Ich will Euch NEUGIERIG machen“ intensiver und lebendiger an als im Durchgang vorher.

Wofür diese Information in Deinem Alltag gut sein kann?

Wenn Du zum Beispiel als Verkäufer in eine Verhandlung gehst und Dir denkst „die anderen Produkte sind sowieso viel besser“ oder „eigentlich ist unser Produkt viel zu teuer“ – wird Dein Kunde das merken.

Wenn Du eine Präsentation hältst mit den Gedanken „das interessiert die eh nicht“ – dann wird Deine Präsentation bei den Zuhörern vermutlich weniger Interesse wecken. Weniger, als wenn Du der Meinung bist, dass das, worüber Du sprichst, Deine Zuhörer weiterbringen wird.

Es lohnt sich also, vor (und auch in) einem Gespräch, für Dich wahrzunehmen, welcher Subtext gerade wirkt. Und aus diesem Text gegebenenfalls einen Text zu machen, der Dich Deinem Gesprächsziel näherbringt. Sinnvollerweise nur dann, wenn das mit der Realität vereinbar ist und Du ehrlich zu dem stehen kannst, was Du sagst.

Hast Du auch schon einmal erlebt, wie sich ein Subtext auf eine Gesprächssituation ausgewirkt hat?