Habe bestanden

Sep 9, 2024

schreibt mein Sohn mir auf WhatsApp. Er ist 18 Jahre alt und lebt bei seinem Vater, ca. 350 km entfernt von mir.

Seine letzte Nachricht ist 5 Tage her und darin ging es um etwas ganz anderes.

Mein Sohn ist ein Wortsparer. Vor allem beim Schreiben ist er geizig mit den Wörtern, die er von sich gibt.

Kennst Du das?

Oder bist Du vielleicht selbst auch ein „Wortsparer“?

Ich mag es gerne, wenn jemand zum Punkt und möglichst direkt zum Thema kommt.

Diese 2 Wörter allerdings sind selbst für mich zu wenig.

Für mich als Gesprächspartner bleibt mindestens eine Frage offen:

Was hat er bestanden?

Der Sprecher bzw. Schreiber solcher knappen Formulierungen macht es seinem Gesprächspartner schwer.

Es liegt an mir als Hörer bzw. Leser, mir die fehlenden Informationen zu beschaffen.

Darin liegt ein Gefahrenpotential: Oft neigen wir dazu, fehlende Informationen mit Informationen aus unserem eigenen Erleben, Erfahrungen, Wissensschatz aufzufüllen.

Damit kann ich richtig liegen. Oder falsch.

Für den Sprecher ist vollkommen klar, wovon er spricht und was er meint. Er hat das dazugehörige Bild und alle Informationen in meinem Kopf.

Der Hörer ist in seinem eigenen Kopf. Was im Kopf des Sprechers gerade los ist, bleibt für ihn verborgen – solange er es nicht mitteilt.

Will ich es meinem Gesprächspartner leicht machen und will ich, dass er meinen Ausführungen gut folgen kann, dann sollte ich ihm alle notwendigen Informationen von mir aus geben.

Das erleichtert das Miteinander und reduziert Missverständnisse.

Bei meinem Sohn hatte ich schon eine Idee, was er bestanden haben könnte. In der Schule wusste ich von keiner wichtigen Prüfung. Seit einiger Zeit besucht er die Fahrschule.

Ich fragte nach und ja, das war es. Er hat seine Führerscheinprüfung bestanden.

Wenn Du zum Wortsparen neigst, lade ich Dich ein, etwas auszuprobieren. Überleg Dir, welche Informationen für Deinen Gesprächspartner wichtig sind und gib ihm diese Informationen von Dir aus.

Das wird wahrscheinlich die Zahl der Nachfragen verringern, die Du bekommst.

ENDE

Und wieder kommt der Text mit dem Subtext – aus welchem Grund auch immer…?! 😉

Am April war ich als Teilnehmerin bei den Erlebnistagen der Traumfabrik Regensburg. Ich nahm am Workshop „Lebendiges Sprechen für Alltag und Beruf“ teil. Für eine anstehende Lesung aus meinem Buch „Ich muss dir was sagen“ wollte ich mir dort ein paar Impulse mitnehmen, wie ich die Lesung für die Zuhörer lebendiger gestalten konnte.

Nach einem ersten Durchgang fragte mich der Dozent: „Was willst Du erreichen?“ „Ich will die Leute NEUGIERIG machen“, sagte ich. „Ok, dann geh bitte in genau diese Haltung: Du willst die Leute NEUGIERIG machen. Verinnerliche Dir das. Und dann lies den Text noch einmal.“

Vielleicht hast Du auch schon einmal die Erfahrung gemacht, dass es Dir in einer Situation ganz leicht gelingt, einem anderen Menschen zum Beispiel etwas lebhaft zu erzählen. Trotzdem gibt es Situationen, in denen gelingt Dir das überhaupt nicht. Oft hat das etwas mit dem Subtext zu tun.

Das digitale Wörterbuch der deutschen Sprache stellt zum Begriff Subtext zwei Definitionen bereit:

  1. „einem Kunstwerk, besonders einer erzählenden Dichtung zugrundeliegender Text, Texthintergrund“
  2. „unterschwellig mitgeteilte Meinung, verborgene Botschaft; Nebenbedeutung, Unterton

Genau die zweite Bedeutung – die unterschwellig mitgeteilte Meinung, der Unterton sind es, die sich auf die Sprache (und vieles mehr) auswirken.

Ich habe das Wort Subtext zum ersten Mal in meiner Musicalgruppe kennengelernt. Meiner Regisseurin dort war es wichtig, uns möglichst viele Informationen zu unseren Rollen zu geben. Auch solche, die aus dem Text selbst nicht hervorgehen. In den Proben fragte sie dann immer wieder beispielsweise: „Wie stehst Du in Deiner Rolle zu dem, was gerade passiert? Wie findest Du das?“ oder auch „Wie stehst Du zu der Person, mit der Du gerade interagierst?“

Der Subtext ändert etwas daran, wie ich mich verhalte, wie ich mich bewege und auch an der Art, wie ich spreche – je nachdem, mit welchem Subtext ich in der Situation bin.

Falls Du die Wirkung eines Subtextes selbst ausprobieren willst:

  • Lies jemandem einen Text vor und denke dabei: „Das interessiert den sowieso nicht.“

Und dann nimm denselben Text, lies ihn noch einmal vor und denke Dir dabei:

„Das ist eine großartige neue Information für meinen Zuhörer, die ich hier teile.“

Ich bin mir sicher, Du wirst einen Unterschied merken.

Der Text, den ich aus meinem Buch vorgelesen habe, kam bei den Zuhörern mit dem Subtext „Ich will Euch NEUGIERIG machen“ intensiver und lebendiger an als im Durchgang vorher.

Wofür diese Information in Deinem Alltag gut sein kann?

Wenn Du zum Beispiel als Verkäufer in eine Verhandlung gehst und Dir denkst „die anderen Produkte sind sowieso viel besser“ oder „eigentlich ist unser Produkt viel zu teuer“ – wird Dein Kunde das merken.

Wenn Du eine Präsentation hältst mit den Gedanken „das interessiert die eh nicht“ – dann wird Deine Präsentation bei den Zuhörern vermutlich weniger Interesse wecken. Weniger, als wenn Du der Meinung bist, dass das, worüber Du sprichst, Deine Zuhörer weiterbringen wird.

Es lohnt sich also, vor (und auch in) einem Gespräch, für Dich wahrzunehmen, welcher Subtext gerade wirkt. Und aus diesem Text gegebenenfalls einen Text zu machen, der Dich Deinem Gesprächsziel näherbringt. Sinnvollerweise nur dann, wenn das mit der Realität vereinbar ist und Du ehrlich zu dem stehen kannst, was Du sagst.

Hast Du auch schon einmal erlebt, wie sich ein Subtext auf eine Gesprächssituation ausgewirkt hat?